ABSCHIEDSSPIEL: Auswahl einstiger Mitspieler und aktueller Verbandsliga- Kader bereiten Andre Freistedt Ausstand mit Gänsehautgarantie
Die 45. Minute lief, als am Sonntagnachmittag alle in der Ehlehalle wussten, was zu tun war. Auf der Tribüne der Heimstätte des SV Eiche 05 Biederitz erhoben sich die Besucher von ihren Plätzen. Die Mitspieler bildeten ein Spalier und ließen jenen Mann im Applaus baden, der in vielen Fällen schon da war, ehe sie selbst zum Verein gefunden hatten. Andre Freistedt sog jede der letzten 60 Karrieresekunden auf. Ein Handschlag mit den Wegbegleitern, eine tiefe Verbeugung vor dem Publikum, dann beendete die Schlusssirene einen Dienst, der vor über zwei Jahrzehnten begonnen hatte. Beim Abschiedsspiel zwischen einer All-Star-Auswahl und dem aktuellen Verbandsligateam fiel der Schlussvorhang für den Kreisläufer, der sich auf seine neue Aufgabe als Co-Trainer freut: „Man erhält einen völlig anderen Blickwinkel auf den Handball“, erklärte der 47-Jährige.
Eine seiner Integrationsfiguren am Rande eines Heimspiels per Blumenstrauß und warmen Worten abspeisen, kam für den SV Eiche 05 nicht in Frage. Und so bereitete der Club Freistedt im Anschluss an das 20. Detlef-Heine-Gedenkturnier einen würdigen Abschied. „Ich bin dem Verein sehr dankbar, dass ich meinen Ausstand in so einem Rahmen geben durfte. Und umso schöner, noch einmal so viele frühere Mitspieler begrüßen zu dürfen“, erklärte er. Trotz der Urlaubszeit fanden einstige Biederitzer Oberliga-Größen wie Hubert Bruchmüller, Steve Schumacher oder Dirk Hesse ebenso den Weg in die Halle wie die jüngeren Semester um Eric Peters, Sören Große oder Karsten Wolff, mit denen der Routinier 2016 den Sprung in die Sachsen-Anhalt-Liga realisierte. „Das Handballspielen hat keiner von ihnen verlernt, wie man sehen konnte.“ Die spielerische Klasse langte – unterstützt vom einen oder anderen großzügigen Pfiff der beiden Schiedsrichter Fabian Melzer und Daniel Peters – dann sogar gegen die „jungen Wilden“ der aktuellen ersten Mannschaft über 3×15 Minuten zum Sieg, doch war das Ergebnis allenfalls zweitrangig.
In den letzten 20 Jahren sah dies natürlich anders aus. „Ich schätze, dass mir die Rolle als Kämpfertyp schon immer gelegen hat“, so Freistedt, der sportlich bei Dynamo Berlin geformt wurde und um die Jahrtausendwende als ehemaliger Zehnkämpfer zu den Biederitzer Handballern stieß. Tatsächlich erlag er nie der Versuchung, den leichten Weg zu gehen. Selbst als sein Trikot schon ein Jahr als Teil der „Hall of Fame“ unter dem Dach der Ehlehalle hing, war er sich 2019 nicht zu schade, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Als einer von zwei verbliebenen Spielern aus dem Kader der Vorsaison war Freistedt Teil des Biederitzer Neuanfangs, den er nun von der Bank aus weiter begleitet.
Nicht unwahrscheinlich, dass das Karriereende auch bis zum 50. Geburtstag hätte warten können, aber „in gewisser Hinsicht hat mir mein Körper die Entscheidung abgenommen. Seit vier, fünf Jahren bereitet das Sprunggelenk Probleme und eine OP wird im Januar 2023 unumgänglich“, erklärte Freistedt, dessen Tätigkeitsbereich künftig weit über die 60 Minuten auf dem Parkett hinausgeht: „Vor- und Nachbereitung der Trainingseinheiten und Spiele. Dazu viele organisatorische Aufgaben und ein ständiger Austausch mit dem Trainer und den Spielern“, zählt der neue „Co“ auf. Doch wäre Freistedt kaum er selbst, wenn er sich nicht auch dieser Herausforderung stellen würde – und sie gewiss auch meistern wird.
Karriereauswahl: Hubert Bruchmüller, Michel Meyer – Uwe Werkmeister, Enrico Sonntag, Karsten Wolff, Dirk Hesse, Holger Klingebeil, Ingo Heitmann, Steve Schumacher, Steve Klack, Stephan Holzgräbe, Michael Thielicke, Mario Genth, Sören Große, Christoph Frank, Rene Schnetter, Sebastian Wiedon, Yves Steinweg, Andre Freistedt