Der Puls schlägt bis zur Hallendecke
45 Minuten lang liefern sich Biederitz und Gommern eine erbitterte Abwehrschlacht. Dann entscheidet im Derby vor großer Kulisse das Plus an Abgezocktheit zugunsten der Gäste.
Biederitz. Den Gegner in kindlicher Freude übers Parkett der Ehlehalle hüpfen zu sehen, muss sich angefühlt haben wie hundert kleine Nadeln, die sich in die Biederitzer Handballseele bohrten. Die lauten „Derbysieger“-Rufe aus dem Epizentrum der Jubeltraube waren dem Mann am Mischpult dann doch zu viel der Folter. Und so wummerten am Samstagabend zeitnah nach der Schlusssirene Beats und Bässe durch die Heimstätte des SV Eiche 05. Tanzeinlagen kamen aber weiterhin nur von Gommeraner Gästen, die vor ihren mitgereisten Fans den 25:21 (12:11)-Erfolg im Schlagabtausch der Handball-Oberliga feierten.
„Unabhängig vom Ausgang denke ich, dass niemand sein Erscheinen bereut hat. Die Kulisse hat für dieses Derby absolut gepasst. Schade, dass wir nicht jede Woche vor so einem Spiel stehen“, zeigte sich Gästetrainer Oliver Schulke im Hinblick auf eine rappelvolle Halle euphorisiert. Parkplätze im näheren Umfeld waren schon eine halbe Stunde vor Anwurf kaum zu finden. Letztlich begrüßten die Biederitzer 350 Besucher in ihrem „Wohnzimmer“, rund 70 von ihnen mit Eintracht-Hintergrund. Und sie alle übertrafen sich darin, beide Teams im Prestige-Duell lautstark anzutreiben.
Im Fall der Gastgeber hatte die Vorfreude schon einen Dämpfer erhalten, als sich die Kontrahenten noch zur Begrüßung gegenüberstanden. Da war nämlich aufgefallen, dass sich beide Seiten für gelbe Arbeitskleidung entschieden hatten. Mürrisch, aber zügig wechselten die Biederitzer in den schwarzen Dress und schienen noch einen Extraschub Motivation erhalten zu haben. „Die Mannschaft hat gut reingefunden. Über die Abwehr haben wir das Spiel lange offen gestaltet“, bemerkte Eiche-Trainer Peter Pysall zufrieden und durfte im Kopf-an-Kopf-Rennen der ersten 30 Minuten die Bestätigung sehen.
Wie vor einem Jahr, bei der 22:22-Punkteteilung in Gommern, legten die Rivalen den Fokus aufs Verteidigen und gingen dabei keine Experimente abseits der 6:0-Formation ein. Die Gastgeber hatten zwar im Training auch die Thematik „siebter Feldspieler“ angeschnitten, um eine mögliche Manndeckung gegen Bennet Daßler aufzulösen, mussten aber das Risiko eines verwaisten Tors über die gesamten 60 Minuten nicht eingehen. Vielmehr wechselte die Führung bis zur Pause einige Male hin und her. Der Rest spielte sich auf absoluter Augenhöhe ab.
Nur als Tim Hieber im Gegenstoß (18.) und Momente später Maurice Prokop mit dem freien Wurf von Linksaußen scheiterten, zuckte Gommerns Coach an der Seitenlinie kurz zusammen, denn: „Leider verpennen wir es, entspannt auf drei Tore davonzuziehen. Stattdessen laden wir Eiche wieder zum Ausgleich ein“, haderte Schulke und musste folglich bei der hauchzarten 12:11-Führung zur Pause davon ausgehen, dass der Puls weiter bis an die Hallendecke schlug.
Doch schon unmittelbar nach Wiederbeginn ahnte sein Gegenüber nichts Gutes: „Wir haben in der zweiten Hälfte zunehmend die Bindung in der Abwehr verloren“, registrierte Pysall. Doch in letzter Verteidigungslinie stand einer, der sein Team mit drei wichtigen Paraden im Spiel hielt. „Wir scheitern in den ersten zehn, elf Minuten an unserer Chancenverwertung. Allerdings pariert der Biederitzer Torhüter auch Bälle, die er nicht unbedingt halten muss“, erkannte auch Schulke die Leistung von Keeper Gustav Nafe an.
Doch spätestens, als Eric Schipper trotz lädierter Schulter das 21:18 (48.) für Gommern nachlegte, war die Richtung vorgegeben. Während die Gäste weiter variabel im Angriff blieben, wie die ausgeglichene Torverteilung zeigte, hing bei den Biederitzern zu viel von einem ab: „Robin Urban hat seine Stärken im Eins-gegen-eins ausgespielt. Aber insgesamt hatten wir offensiv nur vier Hauptakteure. So gerät unser Angriff irgendwann ins Schleppen“, kritisierte Pysall den Umstand, dass nur Urban (acht Treffer) und Moritz Steinweg (sieben) zuverlässig trafen.
Auch auf der anderen Seite des Spielfelds hatten die Gastgeber zu diesem Zeitpunkt schon einen moralischen Bruch verkraften müssen. Da Jason Thielecke vorzeitig die dritte Zeitstrafe kassierte (41.), lastete nun am eigenen wie gegnerischen Kreis alles auf den Schultern von Jannis Richter, den vorn kaum ein Anspiel erreichte, weil sich die Hausherren in teils unmotivierten Schlagwürfen ergingen. So bekam auch Gommerns Keeper Jonas Wucherpfennig in der Schlussphase noch einige Bälle zu fassen und entschied das Torhüterduell letztlich für sich.
Seine Vorderleute ließen sich dann nicht mehr vom verdienten Erfolg abbringen. Die Gegenseite gestand ein: „Mit 25 Gegentreffern gegen diesen breit aufgestellten Kader von Gommern lässt sich leben. Aber bei 21 eigenen Toren fehlen uns eben vier bis fünf, auch aufgrund mangelnder Abgeklärtheit. Das können wir auch schlecht einstudieren, denn etliche Spieler gehen unter der Woche außerhalb von Biederitz ihrer Ausbildung nach“, so Pysall, dessen Team das anstehende spielfreie Wochenende nach drei Niederlagen am Stück nicht ungelegen kommt, ehe es am 30. November beim HC Burgenland II weitergeht. Gommern empfängt tags zuvor TuS Radis und dürfte nichts anderes im Sinn haben, als die Spielstätte nach dem Abpfiff wieder zur Partyzone zu erklären – diesmal die heimische Eintracht-Sporthalle.
Biederitz: Nafe, Wetzel, Witte – Urban (8), Richter, Thielecke (2), Kinast, Hesse (1), Held, M. Steinweg (7), Schneider, Wohl, Hammecke, Beres, Daßler (3/1), Eix
Gommern: Jo. Wucherpfennig, Smoger – Bolecke (3), Peschke (1/1), Hieber (5), To. Leine (4/3), Prokop (2), De Vries (2), Wolter (1), Mehr (2), Panofen, Schipper (3), Ja. Wucherpfennig (2), Schülke, Hugk, Schmelzer
Siebenmeter: Eiche 3/1 – Eintracht 6/4; Zeitstrafen: Eiche 5 – Eintracht 4; Rot: Jason Thielecke (41., 3×2 Minuten) -Biederitz
Derbyzeit – (K)ein Spiel wie jedes andere
Das heutige Oberliga-Derby elektrisiert Eiche Biederitz (7., 11:7-Punkte) und Eintracht Gommern (2., 15:3) gleichermaßen. Für die Gäste steht ab 17.30 Uhr aber mehr auf dem Spiel.
Biederitz/Gommern. Wer zuletzt die Ränge in der Biederitzer Ehlehalle und der Gommeraner Eintracht-Sporthalle genauer absuchte, ist zur Feststellung gelangen: Jeder schaut auf sich. Kein Vertreter des jeweils anderen Clubs ließ sich in der gegnerischen Heimstätte ausmachen. Der SV Eiche 05 und SV Eintracht sind sich auffallend weiträumig aus dem Weg gegangen. Einerseits kennt man sich – und schätzt sich nach den unsäglichen Begleiterscheinungen der gescheiterten Spielverlegung aus der Vorsaison ein bisschen weniger. Andererseits haben beide Oberliga-Rivalen nach neun Spieltagen allerhand selbstbewusste Gründe, den Fokus auf die eigenen Stärken anstatt auf die gegnerischen Schwächen zu richten, wenn heute ab 17.30 Uhr in Biederitz das vorläufige Highlight der Hinrunde steigt.
„Natürlich fiebern alle auf das Derby hin“, blickt Eiche-Trainer Peter Pysall voraus. Nur, um dann so zu klingen, als nehme er sich aus der Aufzählung heraus: „Am Ende ist es ein Spiel wie jedes andere. Für den Sieger gibt es auch nur zwei Punkte.“ Nachdem der Biederitzer Fabelstart in die neue Saison von den beiden jüngsten Niederlagen gegen die Schwergewichte vom BSV 93 Magdeburg (25:34) und der TSG Calbe (31:35) gestoppt wurde, bietet das Prestigeduell in eigener Halle jedoch auch die Chance, aufkommender Melancholie entgegenzuwirken. „In Calbe haben wir nachgewiesen, dass wir mit solchen Kalibern mithalten können. Natürlich ist Gommern klarer Favorit und will offenbar aufsteigen, wie die Neuverpflichtungen nahelegen. Wir können also nicht mehr tun, als uns mit Händen und Füßen zu wehren“, übt sich Pysall in Understatement.
Während seine Mannschaft zuletzt also von der Realität eingeholt wurde, führt die Eintracht mit den Calbensern die Riege der BSV-Verfolger an. Kein Anlass für vorzeitige Zufriedenheit, aber vier Spiele vor dem Hinrundenende eben auch ein ordentliches Zwischenzeugnis: „Mit drei Minuspunkten sind wir gut durchgekommen. Bis auf den Spitzenreiter haben wir die direkten Konkurrenten bespielt, dürfen jetzt aber keinen Deut nachlassen“, fordert Eintracht-Coach Oliver Schulke und weiß, dass Favoritenrollen und die Papierform in einem Derby kaum Aussagekraft besitzen.
Was der Blick auf die Zahlen jedoch verrät, ist, dass beide Seiten ihr Abschneiden vor allem einer elitären Deckung verdanken. Nimmt man die ein Spiel im Rückstand befindliche SG Spergau (214 Gegentreffer) aus der Rechnung heraus, stellen die Gommeraner (219) die beste, Biederitz (232) die drittstabilste Abwehr der Liga. Mag das 22:22-Unentschieden vor einem Jahr noch halbwegs überrascht haben, dürften in der Ehlehalle die heutigen Wetten kaum auf einem torreichen Spektakel liegen. Pysall zeigt sich dennoch vor der gegnerischen Offensive gewarnt: „Gommern verfügt inzwischen über viel Durchschlagskraft im Rückraum und gute Kreisläufer. Das darf uns aber nicht davon abhalten, unser eigenes Spiel durchzubringen.“
Breite und Qualität des Eintracht-Kaders sprechen also dafür, dass die Gäste heute Abend mehr zu verlieren haben als der SV Eiche 05. Bevor zum Hinrundenabschluss am 13. Dezember das wegweisende Duell gegen den Spitzenreiter aus Olvenstedt wartet, vertraut auch Schulke darauf, dass beim vorläufigen Highlight die Vorfreude gegenüber der Anspannung und Nervosität überwiegt: „Wir haben unfassbar Bock auf das Spiel in Biederitz.“


SV Eintracht Gommern
BSV 93 Magdeburg
HV RW Stassfurt II
TuS Radis

SV Irxleben 1919 e.V.